Verena Kälin-Squaratti

Fassbare Unschärfe

3. Februar -

10. März 2002

Fassbare Unschärfe

Aus dem Gummi von ausgemusterten Fahrzeugschläuchen aller Art, die längst der Vergangenheit angehören, kreiert Verena Kälin-Squaratti ihre «Hüllen», die beinahe aussehen wie antike Keramikgefässe aus schwarz- oder rotbrennendem Ton. Die Objekte sind freilich nicht starr, sondern weich, und suggerieren Bewegung, da sie selten völlig senkrecht, eher leicht geneigt dastehen. Der gefässhafte Charakter dieser Formen verbindet sich mit der Vorstellung des weiblich gerundeten Torso. In allen Kulturen hat der Mensch in anthropomorphen Formen dem Gefäss seine eigene Gestalt gegeben und seine Teile Fuss, Bauch, Schulter und Hals benannt. Die Silhouette evoziert eine Frau im eng anliegenden Schlauchkleid der 80er-Jahre. Noch verstärkt durch die prägnante Längsnaht mit ihrem Aspekt der Schnürung liegt der Gedanke an Korsett und Gummierotik nahe. Bei den «Hüllen» wird der Schlauch nicht wie bei den Büsten zum anonymen Material. Die grosse, unter den Reifen versteckte Ästhetik der Fabrikationsspuren, wie Gussnähte, Aufschriften, unterschiedlichste Strukturen und Flicke, kann sich durch die Aufteilung der einstigen Schläuche fragmentarisch, dafür nur umso eindrücklicher entfalten. So berichten uns die «Hüllen» von einer der folgenreichsten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts: dem Automobil mit all seinen positiven wie negativen Seiten. Über die Gesamtinstallation hinaus wird jede einzelne Plastik zum Gefäss weitreichender, assoziativer Gedanken. Haben wir doch materiell einen Gegenstand vor uns, der in sich kreisend vielleicht schon mehrfach die Welt umrundete, der unzählige Lasten, Hoffnungen und Sehnsüchte zu ihren Zielen transportierte.

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